WIR FORDERN: Die Rechte von Deutschen in Großbritannien nach dem Brexit sicherstellen!

Nach dem Brexit-Referendum über den Austritt Großbritanniens aus der EU wurde viel verhandelt und zum Jahresbeginn 2021 ist die Übergangsfrist zum Brexit abgelaufen. Die konservative Regierung um Boris Johnson hat einem Minimalkompromiss zur zukünftigen Zusammenarbeit zwischen dem Inselstaat und der EU zugestimmt.

Der harte Brexit ist nun Realität mit allen Nachteilen für die Bevölkerung vor Ort: Ein Herabstufen der Bürgerrechte von Europäer:innen in Großbritannien, eine wirtschaftliche Krise, die mit steigenden Ressentiments gegenüber Ausländer:innen einhergeht, sowie Unsicherheiten bezüglich des individuellen rechtlichen und Sozialversicherungsstatus Deutscher auf der Insel. Zudem haben die Grenzschließungen zwischen den Jahren gezeigt, dass die Bundesregierung die rund 300.000 Deutschen vor Ort nicht in ihre Entscheidungsprozesse mit einbezieht.

Und auch wenn viele Probleme in den Kompetenzbereich der EU fallen, hat die Bundesregierung es in der Hand, Deutsche in Großbritannien im Kampf um unsere Rechte zu unterstützen.

Den ganzen Antrag als PDF zum Download.

Was fordern wir?

Daher fordern wir von der Bundesregierung vier zentrale Maßnahmen zur Sicherstellung der Rechte Deutscher in Großbritannien nach dem Brexit:

  • Doppelpass jetzt! Die Bundesregierung muss die doppelte Staatsbürgerschaft für Deutsche in Großbritannien ohne Vorbehalt und analog zur Doppelstaatsbürgerschaft in der EU oder der Schweiz ermöglichen.
  • Den Geist von Bologna leben lassen! Die Bundesregierung muss ermöglichen, dass Bildungsabschlüsse aus Großbritannien ohne Kosten und bürokratischen Aufwand anerkannt werden.
  • Bereitschaft zur Begegnung! Die Bundesregierung muss zivilgesellschaftliche Kooperation und Austauschprogramme zwischen Deutschland und Großbritannien stärker unterstützen.
  • Soziale Sicherheit für Brexit Opfer! Die Bundesregierung muss die Anerkennung, Sicherstellung und Möglichkeit zur Übertragung von Ansprüchen auf Sozialleistungen gewährleisten.

Warum fordern wir das?

Unsere Begründungen im Einzelnen:

Doppelpass

Die doppelte Staatsbürgerschaft ist in Deutschland schon längst überfällig. Doch im Brexit-Zusammenhang wird deren Notwendigkeit deutlicher denn je. Das Angebot der britischen Regierung an europäische Bürger:innen auf der Insel, mit dem „settled status“ hier leben zu dürfen bietet keine Rechtssicherheit, denn dessen Bedingungen können jederzeit (wie bereits geschehen) geändert werden. Nur die britische Staatsangehörigkeit bietet daher umfassende Rechtssicherheit in Großbritannien. Dass die zusätzliche Annahme des britischen Passes Deutschen in Großbritannien seit dem 1. Januar 2021 grundsätzlich verwehrt wird ist unangemessen und behandelt Deutsche in Großbritannien schlechter als beispielsweise Deutsche in Frankreich.

Anerkennung von Bildungsabschlüssen

Trotz des Bologna-Systems ist die Anerkennung europäischer Hochschulabschlüsse vor allem auf Bundesebene nicht ohne weiteres möglich. Für Bewerbungen bei obersten Bundesbehörden muss bspw. eine Gleichwertigkeitsbescheinigung der Kultusministerkonferenz angestrebt werden, die bürokratisch aufwendig und kostspielig ist. Die Anerkennung von Schulabschlüssen ist noch um ein Vielfaches komplizierter. So werden beispielsweise die britischen A-Levels grundsätzlich nicht der allgemeinen Hochschulreife – also dem Abitur – gleichgestellt. Nach dem Brexit endet auch die automatische Anerkennung von beruflichen Qualifikationen nach der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie. Die deutsch-britischen Beziehungen können in dieser Situation eine Vorreiterrolle spielen, wenn die Bundesregierung einen besseren Rahmen zur Anerkennung von Bildungsabschlüssen ermöglicht.

Menschliche Begegnungen fördern

Das gesellschaftliche Klima in Großbritannien driftet – angefeuert durch die konservative Presse – immer weiter in den Nationalismus ab. Die EU und auch Deutschland werden verstärkt als Feindbilder gezeichnet, die Medienschlacht über die öffentliche Meinung scheint verloren. Dem gilt es mit persönlichen Kontakten positive Erfahrungen entgegenzusetzen. Daher ist es von höchster Bedeutung, die Budgets der deutschen politischen Stiftungen in Großbritannien und der Goethe Institute für Programme, die den persönlichen Austausch fördern, auszubauen. Dies sollte um umfangreiche Fördermaßnahmen für andere zivilgesellschaftliche Akteure, wie bspw. das British German Forum und Initiativen von engagierten Individuen, erweitert werden.

Sozialleistungen sichern

Ein großer Unsicherheitsfaktor für Deutsche in Großbritannien ist derzeit die Rechtssicherheit hinsichtlich der Ansprüche auf Sozialleistungen. Dieser Unsicherheit kann in den unterschiedlichen Bereichen mit unterschiedlichen Mitteln begegnet werden. Ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, hängt von der steuerlichen Situation der Eltern ab. Auch wenn in diesem Fall durch Brexit keine materiellen Veränderungen eintreten, ist es von großer Bedeutung, den von Brexit Betroffenen die rechtliche Situation deutlich zu kommunizieren. Eine entsprechende Kampagne kann Zweifel ausräumen und unzuverlässigen Informationen entgegenwirken.

Innerhalb der EU ist die Kombination von Rentenansprüchen aus verschiedenen Mitgliedstaaten grundsätzlich vorgesehen. Die Stellung Großbritanniens hinsichtlich des europäischen Rentensystems ist weiterhin unklar. Unabhängig davon besteht allerdings die Möglichkeit zur Übertragung von Ansprüchen von Großbritannien in ein anderes, anerkanntes Rentensystem, was allerdings eine hohe Steuerlast und damit Rentenminderung mit sich bringt. Die Bundesregierung kann in diesem Zusammenhang auf ein Abkommen mit der britischen Regierung hinarbeiten, das die abgabenfreie und reibungslose Übertragung von Rentenansprüchen zwischen beiden Ländern sicherstellt. Das deutsch-britische Sozialversicherungsabkommen von 1960, dessen Bestimmungen an das 21. Jahrhundert angepasst werden sollten, bietet hierfür eine geeignete Verhandlungsgrundlage.

Wer in der aktuellen Situation aus Großbritannien dauerhaft nach Deutschland zurückkehren muss, hat im Fall von unmittelbarer Arbeitslosigkeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld 1 und fällt bestenfalls auf die Grundsicherung zurück. Brexit stellt eine historische Ausnahmesituation dar, die nicht von Deutschen in Großbritannien zu verantworten ist. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Rückkehr auch durch strenge Staatsbürgerschaftsregeln (siehe Punkt 1) erzwungen werden könnte, ist dieser Umstand nicht hinnehmbar. Die Rahmenfrist sollte daher im Fall einer Rückkehr aufgrund von Brexit keine Anwendung finden und Ansprüche auf Basis der Versicherungszeit und -höhe in Großbritannien anerkannt werden.

Ich würde mir gerne eine eigene Meinung zu dem Thema bilden!

Ressourcen Ausklappen

Wir haben Dich noch nicht ganz überzeugt oder Du möchtest mehr über das Thema wissen? Hier findest Du ein paar Ressourcen und Links, die uns bei unserer Entscheidungsfindung geholfen haben:

Ein Beitrag unseres Co-Sprechers Thomas Fröhlich, der unsere Kernforderungen darlegt: Artikel im Vorwärts

Informationen der deutschen Botschaft London zur Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft bei Einbürgerung in Großbritannien und allgemeine Informationen des Bundesverwaltungsamtes zur doppelten Staatsbürgerschaft.

Wichtig: VOR Beantragung der Einbürgerung muss die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft schriftlich genehmigt worden sein!

Informationen zum Settled Status von der Organisation „The 3 Million“, die Interessen der Europäer:innen in Großbritannien vertritt (auf Englisch).

Informationen zu den Rechten, die der Settled Status bietet von der Organisation „Citizens‘ Advice“ (auf Englisch).

Die Seite der britischen Regierung zur Beantragung des Settled Status.

Informationen der Bundesregierung zur Anerkennung von britischen Qualifikationen nach dem Brexit.

Informationen des DAAD zur Anerkennung britischer Schulabschlüsse.

Informationen der  Zentralstelle zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse der Kultusministerkonferenz. 

Ein Artikel von der BBC zum Anstieg von Fremdenfeindlichkeit unmittelbar nach dem Brexit Referendum und des Guardian zum mittelfristigen Anstieg.

Ok, wir fordern das. Und was passiert jetzt damit?

Die SPD London hat diesen Antrag im Februar 2021 beschlossen und ihn damit an die SPD International überwiesen. Diese hat den Antrag auf ihrer Vollversammlung im März 2021 beschlossen. Nun geht der Antrag an den Bundesparteitag der SPD im Mai 2021, wo die dortigen Delegierten darüber befinden werden, ob dies eine offizielle Position der Partei wird.

Gleichzeitig führen wir Gespräche mit relevanten sozialdemokratischen Fachpolitiker:innen und werben auch abseits der Parteibeschluss-Strukturen für das Anliegen dieses Antrags.

Wir brauchen Deine Unterstützung!

Um unseren Antrag ins Parteiprogramm der SPD zu bringen benötigen wir Deine Unterstützung!

Grundsätzlich kannst Du uns unterstützen, indem du:

Ganz konkret kannst Du, um diesen Antrag zu unterstützen:

  • Als SPD-Mitglied diesen oder einen ähnlichen Antrag selbst im eigenen Ortsverein einbringen. Desto mehr SPD-Gliederungen sich mit diesem Thema befassen, desto wahrscheinlicher wird es auf dem Parteitag behandelt und beschlossen.
  • Diese Themenseite auf Social Media teilen, um auf das Thema und unsere Forderung aufmerksam zu machen. Aufmerksamkeit generieren.
  • Relevante Fachpolitiker anschreiben und bei ihnen für dieses Thema werben. Das können beispielsweise fachpolitische Abgeordnete oder Ministerialvertreter auf der Bundesebene sein.

Den ganzen Antrag als PDF hier downloaden.

Wir bedanken uns bei allen, die uns bisher unterstützen!