WIR FORDERN: Soldat:innen im Einsatz umfassend schützen!

Im Juni 2020 erklärten die Fachpolitiker:innen der SPD-Bundestagsfraktion im Namen der Fraktion, dass nach Jahren tiefgreifender und kritischer Diskussion entschieden wurde, der Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr unter sehr strengen Bedingungen und starken Einschränkungen zuzustimmen. Im darauffolgenden Herbst erklärte dann SPD-Fraktionsvorsitzender Dr. Rolf Mützenich, dass die Haltung zu bewaffneten Drohnen weiter diskutiert werden müsse. Damit diese Diskussion auch auf dem Bundesparteitag der SPD im Mai stattfinden und dort entschieden werden kann, möchten wir mit diesem Antrag die Position der SPD-Fachpolitker:innen auch inhaltlich unterstützen.

Darum fordern wir konkret:

Wie fordern den umfassenden Schutz der Gesundheit und des Lebens unserer Bundeswehrsoldat:innen im Einsatz durch die Ermöglichung der Anschaffung und des Gebrauchs bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge (ugs. Drohnen) zu gewährleisten. Die Verwendung solcher Waffensysteme muss dabei einer strengen und Normen-geleiten Doktrin unterliegen, die ihren Einsatz auf wenige klare Szenarien reduziert. Dazu zählen konkret:

  • Bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge sind ausschließlich defensiv, also zum Begleitschutz und zum Rückzugsschutz deutscher oder verbündeter Soldat:innen, von Zivilist:innen und Mitarbeiter:innen internationaler Hilfsorganisationen einzusetzen. Offensive Einsatzszenarien und im extremsten Fall extralegale Tötungen sind unter keinen Umständen möglich und werden grundsätzlich abgelehnt. Die grundsätzliche Möglichkeit des Gebrauchs bewaffneter Drohnen in einem Einsatzgebiet muss dabei explizit im Bundeswehr-Einsatzmandat durch den Deutschen Bundestag vorab genehmigt werden.
  • Entscheidungen über den Einsatz dieser bewaffneten unbemannten Luftfahrzeuge als auch über den Gebrauch ihrer Waffensysteme im Einsatz sind ausschließlich von einem dafür ausgebildeten Menschen vorzunehmen. Unter keinen Umständen dürfen solche Entscheidungen automatisiert werden, autonome Waffensysteme lehnen wir grundsätzlich ab. Das operative Hauptquartier, aus dem diese Entscheidungen heraus getroffen werden, muss sich dabei im Land des Einsatzes befinden.
  • Für die Gewährleistung der psychischen Gesundheit der bedienenden Soldat:innen solcher bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge ist es dabei unabdinglich, dass umfassend ausgebildetes Betreuungspersonal für ihre Fürsorge und Betreuung auch im  und nach dem Einsatz bereitsteht, da sich ähnliche Waffensysteme für die eigenen Soldat:innen anderer Staaten als besonders psyschisch belastend herausgestellt haben.
  • Um die parlamentarische und öffentliche Kontrolle des Einsatzes solcher Waffensysteme bestmöglich sicherzustellen und den berechtigten Sorgen bei der Anschaffung und Verwendung solcher Systeme entgegenzutreten, sind das verbindliche Einsatzkonzept als auch die konkreten Einsatzberichte dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages fortwährend mitzuteilen, als auch unter Berücksichtigung relevanter Geheimhaltungsregeln soweit möglich der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das aktuelle verbindliche Einsatzkonzept muss dabei zwingend veröffentlicht werden.

Den ganzen Antrag könnt Ihr hier downloaden.

Warum fordern wir das?

Unsere Begründung gliedert sich in 5 Teile. Zum Einsehen der einzelnen Unterpunkte könnt Ihr einfach den jeweiligen Text ausklappen:

Trotz unserer friedenspolitischen Bemühungen wird es auch zukünftig Auslandseinsätze der Bundeswehr geben

Aus der deutschen Geschichte heraus ergibt sich eine besondere Verantwortung für die deutsche Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die SPD setzt sich daher als friedenspolitische Akteur ein, denn von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen. Die SPD bekennt sich zum Primat der Diplomatie.

Gleichwohl besteht unter bestimmten klar definierten Umständen und ausschließlich im Rahmen unserer multilateralen Partnerschaften die Notwendigkeit, internationale Militäreinsätze der Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der NATO auch mit Soldat:innen der Bundeswehr zu unterstützen.

Deutschland trägt eine sicherheitspolitische Verantwortung

Aus der deutschen Doktrin von “Nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz!” ergibt sich ein klarer friedenspolitischer Auftrag, der jedoch die Verwendung militärischer Gewalt als letztes Mittel zur Verhinderung und Bekämpfung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulässt. Aus seiner historischen Erfahrung heraus kann Deutschland nicht wegschauen, wenn unheimliches Leid geschieht, dass sich durch ein gemeinsames Eingreifen der Weltgemeinschaft verhindern ließe.

Die Bundesrepublik profitiert heute von ihren sicherheitspolitischen Partnerschaften und Bündnissen enorm. Als Nutznießer dieser Allianzen dürfen wir gefährliche, aber notwendige Einsätze jedoch nicht ausschließlich unseren Partnern überlassen. Zur sicherheitspolitischen Verantwortung Deutschlands gehört es dabei daher auch, sich an humanitärem Engagement gegen terroristische und verbrecherische Organisationen auch militärisch zu beteiligen. Dies geschieht ausschließlich im Rahmen unserer bestehenden multilateralen Partnerschaften.

Unsere Soldat:innen verdienen umfassenden Schutz

Aus diesem Grund befinden sich deutsche Soldat:innen heute in Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Der Bundesrepublik obliegt dabei eine besondere Fürsorgepflicht die Gesundheit und das Leben dieser Bürger:innen in Uniform zu schützen. Dies bedeutet konkret unsere Soldat:innen umfassend und modern auszustatten, um das Risiko für Leib und Leben zu minimieren.

Andere Staaten setzen hier verstärkt auf den Einsatz sogenannter bewaffneter Drohnen. Im Gegensatz zu bemannten Luftfahrzeugen können diese oft stundenlang über einem Gebiet schweben oder Soldat:innen begleiten. Damit eignen sie sich besonders, um Soldat:innen im Falle eines Angriffs schnellstmöglich Luftunterstützung bereitzustellen, sie zu verteidigen und einen Rückzug zu ermöglichen, wie dies durch herkömmliche bemannte Luftfahrzeuge nicht möglich wäre. Auf Grund dieser Vorteile setzt die Bundeswehr bereits heute unbewaffnete Drohnen für die Aufklärung ein. Die Fürsorgepflicht für unsere Soldat:innen erfordert es jedoch, dass wir einen vergleichbaren Schutz auch ihnen durch bewaffnete Drohnen ermöglichen.

Den exzessiven Einsatz offensiver Kampfdrohnen sehen wir mit großer Sorge und lehnen ihn ab

Gleichwohl wissen wir, dass es berechtigte Sorgen gegen die Anschaffung und Verwendung von bewaffneten Drohnen bei der Bundeswehr gibt. Jedes zur Verteidigung angedachte Waffensystem könnte theoretisch auch offensiv genutzt werden. Die exzessiven Drohnenkriege der Vereinigten Staaten von Amerika, sowie die Durchführung extralegaler Tötungen durch Drohnen auch von US-Amerikanischen Geheimdiensten sind ein trauriges Negativbeispiel dafür, dass auch ein westlicher Staat der unseren Wertvorstellungen sehr nahesteht, solche Waffensysteme exzessiv missbrauchen kann. Wir verurteilen dies zutiefst.

Der Bergkarabachkonflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan zeigt ebenfalls sehr eindrücklich, wie der Einsatz bewaffneter Drohnen als offensive Waffe einen militärischen Konflikt weiter eskalieren und verschärfen kann. Darauf schauen wir mit großer Sorge. Folglich kann es in niemandes Interesse liegen, dass die Bundeswehr ähnliche Waffensysteme für den offensiven Einsatz erhält. Im Gegenteil muss es internationales Bestreben der Bundesrepublik sein, die Verwendung zunehmend autonomer und entmenschlichter Waffensysteme zu beschränken.

Ein Normen-gebundener Einsatz bewaffneter Drohnen für defensive Zwecke ist möglich

Gleichwohl denken wir, dass ein Gebrauch bewaffneter Drohnen für ausschließlich defensive Zwecke möglich ist, wenn wir ihren Einsatz klaren und strengen Normen unterwerfen und umfassend kontrollieren. Hierzu lassen sich deutliche und am Völkerrecht orientierte Regeln formulieren. So sollen bewaffnete Drohnen nur für defensive Zwecke eingesetzt werden dürfen, wobei sie von einem Menschen aus einem operativen Hauptquartier heraus gesteuert werden, das sich im Einsatzgebiet befindet.

Da der einzige Zweck der Anschaffung bewaffneter Drohnen der Schutz des Lebens und der Gesundheit unserer Soldat:innen ist, muss auch besonders berücksichtigt werden, dass sich der Gebrauch von bewaffneten Drohnen für die bedienenden Soldat:innen als besonders psychisch belastend erweist. Folglich erfordert der Einsatz bewaffneter Drohnen zum Schutz deutscher Soldat:innen, dass eine umfassende psychische Betreuung für die Bedienenden im und nach dem Einsatz bereitsteht.

Der besonders heikle Charakter bewaffneter Drohnen erfordert, dass wir ihren Gebrauch umfassend kontrollieren. Die Festlegung strenger Normen-geleiteter Regeln erfordert, dass die Umsetzung derselben ebenso streng sichergestellt wird. Daher fordern wir, dass die allgemeinen Einsatzregeln als auch die Berichte über tatsächliche Einsätze von bewaffneten Drohnen dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages vollumfänglich und fortwährend mitgeteilt werden und dass diese darüber hinaus in größtmöglichem Umfang und in größtmöglicher zeitlicher Nähe veröffentlicht werden. Wir denken, dass ein Normen-gebundener und vertretbarer Einsatz bewaffneter Drohnen für rein defensive Zwecke unter diesen Umständen möglich ist.

Ok, wir fordern das. Aber was passiert jetzt damit?

Die SPD London hat diesen Antrag im Februar 2021 beschlossen und ihn damit an die SPD International überwiesen. Diese hat den Antrag auf ihrer Vollversammlung im März 2021 beschlossen. Nun geht der Antrag an den Bundesparteitag der SPD im Mai 2021, wo die dortigen Delegierten darüber befinden werden, ob dies eine offizielle Position der Partei wird.

Gleichzeitig führen wir Gespräche mit relevanten sozialdemokratischen Fachpolitiker:innen und werben auch abseits der Parteibeschluss-Strukturen für das Anliegen dieses Antrags.

Ich würde mir gerne eine eigene Meinung zu dem Thema bilden!

Wir haben Dich noch nicht ganz überzeugt oder du würdest gerne mehr zu dem Thema recherchieren? Kein Problem! Im folgenden haben wir für Euch ein paar Ressourcen, Informationen und Artikel gesammelt, die uns bei unserer eigenen Meinungsbildung stark geholfen haben.

Artikel „SPD unter „strengen Bedingungen“ für Einsatz bewaffneter Drohnen“ im Berliner Tagesspiegel (28.06.2020)

In diesem Artikel sprach der Tagesspiegel mit unserer stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gabriela Heinrich seinerzeit darüber, dass die SPD-Bundestagsfraktion unter sehr strengen dem obigen Antrag ähnlichen Bedingungen für die Anschaffung bewaffneter Drohnen ist.

Link zum Artikel.

Artikel „Wegducken gilt nicht“ im Berliner Tagesspiegel (06.02.2021)

In diesem Gastbeitrag des ehemaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels (SPD) und dem Botschafter a.D. Dr. Eckhard Lübkemeier (SPD) wird die sicherheitspolitische Entscheidung des Fraktionsvorsitzenden, die Entscheidung für die Anschaffung bewaffneter Drohnen zurückzunehmen, kritisiert.

Link zum Artikel.

Podcast „Sicherheitshalber“ zu Drohnen im Bergkarabachkonflikt (24.10.2020)

In diesem prämierten Podcast diskutieren Expert:innen regelmäßig die sicherheitspolitische Lage. In dieser Folge beschäftigen sie sich kritisch mit dem Einsatz von bewaffneten Drohnen im Bergkarabachkonflikt und stellen die Frage, ob dies die Zukunft bewaffneter Konflikte ist.

Link zum Podcast.

Bezahlartikel „Tod von oben“ in Die Zeit (03.02.2021)

In diesem Artikel, der leider hinter einer Bezahlschranke liegt, diskutiert die Zeit bewaffnete Drohnen mit Dr. Ulrike Franke von der Denkfabrik European Council on Foreign Affairs. Dr. Franke promovierte zuvor an der Universität von Oxford zu Drohnen und ist Teil des Teams beim Podcast „Sicherheitshalber“.

Link zum Artikel (Bezahlschranke).

Bezahlartikel „»Wer als Soldat in der SPD ist, muss leidensfähig sein«“ in Der Spiegel (01.02.2021)

In diesem Artikel, der leider hinter einer Bezahlschranke liegt, diskutiert der Spiegel die Wende der SPD in den sicherheitspolitischen Standpunkten zu Drohnen und zur nuklearen Teilhabe und fragt, wie das in sicherheitspolitischen Teilen gesehen wird.

Link zum Artikel (Bezahlschranke).

Wir brauchen Deine Unterstützung!

Um unseren Antrag ins Parteiprogramm der SPD zu bringen benötigen wir Deine Unterstützung!

Grundsätzlich kannst Du uns unterstützen, indem du:

Ganz konkret kannst Du, um diesen Antrag zu unterstützen:

  • Als SPD-Mitglied diesen oder einen ähnlichen Antrag selbst im eigenen Ortsverein einbringen. Desto mehr SPD-Gliederungen sich mit diesem Thema befassen, desto wahrscheinlicher wird es auf dem Parteitag behandelt und beschlossen.
  • Diese Themenseite auf Social Media teilen, um auf das Thema und unsere Forderung aufmerksam zu machen. Aufmerksamkeit generieren.
  • Relevante Fachpolitiker anschreiben und bei ihnen für dieses Thema werben. Das können beispielsweise fachpolitische Abgeordnete oder Ministerialvertreter auf der Bundesebene sein.

Den ganzen Antrag als PDF hier downloaden.

Wir bedanken uns bei allen, die uns bisher unterstützen!